Volkstrauertag
Die Gedenkfeiern fanden am Sonntag, den 17.11.2024 um 10.30 Uhr am Ehrenmal an der Gellenbecker Kirche und um 12.15 Uhr am Ehrenmal auf dem Martinus-Friedhof statt.
" Am 7. Oktober 2023 erschütterte uns die Nachricht von dem beispiellosen Terrorangriff der Hamas auf Israel und seine Zivilbevölkerung. Viele Bürgerinnen und Bürger sowie zivilgesellschaftliche Organisationen drückten daraufhin unter dem Motto „‚Nie wieder‘ ist jetzt“ ihre Solidarität, aber auch ihre Sorge vor einem zunehmenden Antisemitismus aus. Teil des Kalküls der Hamas war es, nicht nur in der Bevölkerung Israels, sondern auch im gesamten Gazastreifen unvorstellbares Leid zu verursachen. Die zynische Hoffnung der Terroristen, so weltweit den Hass auf Jüdinnen und Juden anzufachen, ist fatalerweise aufgegangen, da Falschinformationen zu oft unkritisch Glauben geschenkt und der Hetze damit Vorschub geleistet wird. Das haben leider auch Ereignisse in Deutschland gezeigt, die vor dem Hintergrund unserer Geschichte mit einer friedlichen demokratischen Zukunft unvereinbar sind.
Durch unser Gedenken am Volkstrauertag an die weltweiten Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wollen wir die Erinnerung an die Schrecken des Krieges wachhalten. „Nie wieder“ heißt also nicht nur, sich an die Vergangenheit zu erinnern, sondern bedeutet vielmehr, dem Hass heute entschlossener denn je entgegenzutreten. Es bedeutet auch, Falschinformationen als solche zu benennen und sich an die Seite derer zu stellen, die Angriffen ausgesetzt sind. Angesichts der zunehmenden Schärfe im politischen Diskurs und der Fülle an Falschinformationen heißt das: Als eine Gesellschaft, der Demokratie, Menschenrechte und die Würde jedes einzelnen Menschen wichtig sind, müssen wir resilienter werden. Eine engagierte, widerstandsfähige Gesellschaft und eine stabile, der Wahrheit verpflichtete Demokratie bedingen einander.
Als letzte und unumkehrbare Folge von Hass, Hetze und Gewalt mahnt das Kriegsgrab zum Frieden und zur Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte. Die Überlebenden des Zweiten Weltkrieges und der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten verstummen und deshalb ist es so wichtig, dass sich die junge Generation für die Erinnerung an das Grauen des Krieges einsetzt und sie wachhält. Umfragen zeigen, dass das Interesse junger Menschen an der kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gestiegen ist. Das verhindert aber nicht, dass zu viele ihre Informationen aus diversen Medien beziehen, in denen Falschinformationen bewusst und zielgerichtet verbreitet werden. Die Gefahr, billigem Populismus im Wahlkampf in die Falle zu gehen, ist erheblich.
Es gilt also, selbstbewusst und auf Augenhöhe den Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Generationen zu fördern und verstärkt politische Bildungsarbeit zu betreiben, nur so wird aus dem Schlagwort „Nie wieder“ ein konkretes Tun. Warnen und Mahnen reicht nicht, Handeln ist angesagt.
So verteidigen wir die europäischen Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Respekt und Toleranz gegen die Angriffe ihrer Feinde. Ob es nationalistische Populisten in Europa sind oder der russische Diktator Wladimir Putin, der seit fast drei Jahren seinen mörderischen Krieg gegen die Ukraine führt: Sie alle eint, dass sie die Angst vor genau diesen Werten antreibt. „Nie wieder“ muss daher auch heißen, nicht die Angst zu unserer politischen Ratgeberin zu machen, sondern sich jeden Tag, nicht nur am Volkstrauertag, selbstbewusst und klar zu den europäischen Werten zu bekennen.
In Hagen a.T.W. fand deshalb Anfang des Jahres (25.01.24) eine Mahnwache für Toleranz, Vielfalt und Freiheit als Antwort auf die Potsdamer Konferenz statt. Rund 1000 Hagener*innen versammelten sich auf dem Platz vor der Ehemaligen Kirche, um rechten Gesinnungen entgegen zu stehen. Die beeindruckenden Vorträge aus den einzelnen Generationen von Pastor Norbert Friebe, Michael Dransmann, Annika Cirkovic und Hannah Wulftange machten deutlich, wie wichtig jedem Hagener diese Thematik ist.
Die gesellschaftliche Trauer und die Fähigkeit zu trauern ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Stärken. Wer trauern kann und vor allem wer getrauert hat, wird ein besserer Mensch. Was nach einer gewagten These klingen mag, hat eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Universität Würzburg 2021 bestätigt, als sie in einer Studie den Unterschied zwischen Trauer und Depression untersucht hat. Auf die Frage, was Trauer ist und warum wir sie brauchen, haben die Wissenschaftler die Antwort geliefert: Individueller Verlust und die damit verbundene Trauer machen über einen längeren Zeitraum betrachtet empathisch(er); sie lassen uns persönlich wachsen.
© Gemeinde Hagen a.T.W.
Weshalb sind es wohl vor allem jede Kriegsgeneration und deren direkte Nachkommen, die mit den Menschen in der Ukraine mitempfinden? Und warum sind es vor allem Menschen, die selbst Trauer erfahren haben, die als Erste aufstehen, wenn es darum geht, anderen Trauernden zur Seite zu stehen? Weil sie nachvollziehen können, wie ihr Gegenüber als Mensch oder als Gruppe sich fühlt. Ohne erlebte und durchgemachte Trauer wäre die Kraft der empathischen Trauer viel geringer. Trauer macht einen ganz wichtigen Teil unseres Menschseins aus. In Trauer erhalten wir ein Bewusstsein für die Endlichkeit der Dinge. Deshalb ist die Fähigkeit zu trauern eine tragende Säule unseres gesamten Miteinanders:
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!"
Bürgermeisterin Christine Möller